Dinge, die man kaum sieht

Bevor Matthias Hampe seine Arbeit beginnen kann, streift er einen langen, weißen Kittel über, schlüpft in seine weißen Arbeitsschuhe und setzt sich ein Haarnetz auf. Mit routinierten Handgriffen kontrolliert er, dass wirklich keine Strähne hervorlugt, ehe er das Labor betritt. Sein Arbeitsplatz im Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik, in Berlin-Adlershof gehört zu den saubersten, die man sich vorstellen kann. Der 25-Jährige hat eine Ausbildung zum Mikrotechnologen abgeschlossen und wirkt mit seiner Berufswahl und Tätigkeit sehr zufrieden.

„In meinem Freundeskreis gab es niemanden, der diesen Beruf kannte.“

„Bevor ich die Ausbildung begonnen habe, hatte ich noch nie von diesem Beruf gehört oder gelesen“, gibt Matthias Hampe ehrlich zu.
Dabei ist er interessant und wird für viele Herstellungsprozesse und Produkte unseres Alltags benötigt. Jeder, der ein Smartphone in der Hosentasche trägt oder an der Kasse seinen Einkauf über den Scanner zieht, kommt mit dem in Berührung, was Mikrotechnologen herstellen: winzige elektronische Präzisionsbauteile. Manche Strukturen darin sind filigraner als ein menschliches Haar. Solche Mikro-Chips kreisen in Satelliten um die Erde oder dienen der Datenübertragung und Telekommunikation. Andere sind für eine hochmoderne Augen-OP mit Lasertechnik unverzichtbar. Die Autozuliefererindustrie, der Fahrzeugbau der Zukunft, die Medizintechnik – sie alle setzen auf die Photonik, die Wissenschaft von Licht und lichtbasierten Technologien. Hier sind gut ausgebildete Fachleute unverzichtbar und Mikrotechnologinnen und -technologen eine begehrte Berufsgruppe.

Der Zufall des Lebens

Seine Ausbildung in diesem Beruf verdankt Matthias Hampe einem Zufall und einer der ersten schweren Entscheidungen seines Lebens: Er hatte seinen Studienplatz in der Bioinformatik nach zwei Semestern gegen die Informatik eingetauscht und nach weiteren zwei Semestern endgültig aufgegeben. „Es hat sich einfach nicht richtig angefühlt, war viel zu theoretisch, und damit bin ich nicht klargekommen“, sagt der 25-Jährige heute. Warum er Mathe pauken musste, wofür er das Programmieren lernte, war ihm einfach nicht klar. „Ich wusste nicht, was ich später damit anfangen soll.“ Nach vier Semestern zog er wieder zu Hause ein und jobbte als Pizzalieferant, um den Eltern nicht auf der Tasche zu liegen. Auf die Dauer war das unbefriedigend und so informierte er sich bei der örtlichen Arbeitsagentur. Ein Studium kam nicht infrage, er suchte eine Ausbildung. Und beim Blättern in den Katalogen entdeckt er „ganz zufällig den Beruf des Mikrotechnologen“.

Der Aufbau von Computern und technischen Geräten hat Matthias Hampe immer fasziniert. „Als ich gelesen habe, dass man diese Bauteile herstellt und dabei ist, wenn sie entwickelt werden, hat es mich gepackt und ich wollte wissen, was dahintersteckt.“ Elektrotechnik und Mikrosystemtechnik zum Beispiel, Mathematik und Chemie, Mikroverfahrenstechnik, Logistik, Qualitätsmanagement – und ganz viel Feinmotorik und Fingerspitzengefühl.
Das braucht Hampe unbedingt, wenn er winzig kleine Bauteile exakt unter einer Spezialapparatur justieren muss, um die elektrischen Kontakte herzustellen, durch die später Strom fließen soll. Manche Arbeitsgänge zur Herstellung von Laserdioden oder Mikrotransistoren gehen nur mithilfe von Greifarmen, Mikroskop und über Kontrollbildschirm. Nicht Kraft, sondern Präzision und Feingefühl sind gefragt. „Das kommt beim Arbeiten“, sagt der Mikrotechnologe. Mikro bedeutet nicht nur, dass alles winzig ist, sondern auch, dass seine Arbeit in speziellen Laboren und sogenannten Reinräumen erledigt wird. Ein Haar auf einem der hauchdünnen Elemente wäre vergleichbar mit einem Baumstamm, der auf ein Auto fällt.

Die Bauteile der Zukunft herstellen

„Man hat nicht nur Mikro-Chips in seinen Händen, sondern auch die Bauteile der Zukunft“, sagt Uta Voigt aus dem Bildungsmanagement des Ferdinand-Braun-Instituts. Sie koordiniert verschiedene Aus- und Weiterbildungsaktivitäten in enger Abstimmung mit dem Berlin-Brandenburger Cluster Optik und Mikrosystemtechnik. „Die Photonik ist eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts.“

Und Matthias Hampe ist mittendrin. In den verschiedenen Abteilungen konnte er sich während seiner Ausbildung ausprobieren, „alle Schritte durchleben“. Seine Entscheidung, das Studium an den Nagel zu hängen hat er keine Sekunde bereut. „Anfangs war es ein Gefühl des Scheiterns, zwei Jahre meines Lebens verloren zu haben“, sagt Hampe. Inzwischen überwiegt ein anderes Gefühl. „Hier hatte ich von Anfang an ein Ziel, wusste, was am Ende dabei herauskommt“, sagt der junge Mann, der sich am Puls der Zeit fühlt. Und Uta Voigt verweist auf die sehr guten Erfahrungen mit Quereinsteigern oder Studienabbrechern.

„Sie haben schon einmal etwas probiert, dabei gemerkt was funktioniert und was nicht und sich aufgrund dieser Erfahrungen entschieden. In ihrer Ausbildung sind sie dann fokussierter, haben klare Vorstellungen von dem, was sie beruflich wollen.“

Matthias Hampe, so viel ist klar, will jeden Tag spüren, dass das, was er produziert, einen Sinn hat. Ob er später noch einmal an eine Uni zurückkehren oder eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Techniker machen will, muss er im Moment nicht entscheiden.

Fotos: Anna Weise
Text: Ina Krauß

Dieser Erfahrungsbericht ist im Rahmen des Projekts „Queraufstieg Berlin“ entstanden. Das Projekt wurde von 2016 bis 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als „Leuchtturmprojekte Studienabbruch“ im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Initiative „Bildungsketten“ gefördert.