Schon Empfang und Begrüßung fallen lockerer als gewöhnlich aus: Beim Handschlag wird ganz selbstverständlich nur der Vorname genannt. Das ist sicher nicht der Jugend oder persönlicher Unbekümmertheit geschuldet. Nathalie Meyer arbeitet in einer Branche, die für ihre Lockerheit, für Kreativität sowie unkonventionelles Denken und Handeln bekannt ist. Ihr Arbeitgeber und Ausbildungsunternehmen Scholz & Friends ist eine der führenden Werbe- und Kommunikationsagenturen Deutschlands und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Dahinter steckt immer mehr als ein kluger Kopf.
Und für den “Kopfmenschen”, wie sich Nathalie Meyer selbst bezeichnet, ist ihre Ausbildung zur Kauffrau für Marketingkommunikation endlich ein Fixpunkt, eine Richtung, mit der sie sich mehr als angefreundet hat. “Endlich eine Richtung, die mir zusagt”, erzählt sie mit Freude in der Stimme.
“Cool” sagt sie immer wieder, nicht nur, weil man zwischendurch mal auf einer Schaukel seinen Gedanken nachhängen kann oder die Mittagspause mit Kolleginnen und Kollegen am Kicker verbringen kann.
Cool meint sie auch, wenn sie über die Vielfalt der Aufgabenbereiche spricht, die sie sowohl in ihrem Ausbildungsberuf als auch bei ihrem Arbeitgeber hat. Die 24-Jährige weiß: “Hier ist einfach unglaublich viel Praxisbezug dabei.” Egal, ob es um die Produktion von Werbemitteln, das Erstellen von digitaler Werbung oder die Konzeption einer Kampagne geht.
Praxisbezug ist genau das, was ihr bei ihrem Germanistikstudium in Leipzig völlig fehlt. Zwar entdeckt sie dort, wie gerne sie Sprache mag, sie lernt viel darüber, auch Althochdeutsch und Neuhochdeutsch. “Aber ich dachte mir oft: Du wirst nichts in deinem Leben damit machen”, sagt Nathalie Meyer im Rückblick. Und doch hält sie acht Semester und den Bachelor-Abschluss durch.
“Ich habe das Studium nicht abgebrochen, weil ich keinen Plan B hatte.”
Damit ist sie bei weitem kein Einzelfall, aber sie redet nicht drum herum: “Ich hatte mich im Vorfeld zu schlecht informiert, was ich danach machen kann.”
Nach dem Studium sucht sie im Sommer 2016 intensiv nach Praktika, aber ohne Erfolg, weil es kein Pflichtpraktikum innerhalb des Studiums wäre. In der Buchbranche, im Verlagswesen sieht sie eine mögliche berufliche Chance, findet in ihrer Heimatstadt Hamburg eine Ausbildung zur Medienkauffrau und stürzt sich in die Aufgabe. “Es war eine sehr kleine Firma.” Ihr Arbeitsfeld beschränkt sich auf Assistenzaufgaben für den Chef. Das ist ihr einfach zu wenig und sie fühlt sich alleingelassen. “Ich sah gar keine Entwicklungsmöglichkeiten für mich.”
Einem glücklichen Zufall und einer Empfehlung ist es zu verdanken, dass sie sich im Frühsommer 2017 in der Firmenzentrale in Berlin bei Scholz & Friends vorstellen kann und am Ende des Bewerbungstages einen Ausbildungsplatz als Kauffrau für Marketingkommunikation bekommt. Nathalie Meyer schmeißt in Hamburg hin und zieht nach Berlin.
Allein, dass sie verschiedene Stationen im Haus durchlaufen muss und in viele Bereiche reinschnuppern kann, stimmt sie ganz optimistisch. Deshalb möchte sie ihre Ausbildung auch in der für sie regulären Zeit – weil sie das Abitur hat: zweieinhalb Jahre – absolvieren und nicht verkürzen. “Dann wäre weniger Zeit hier, mir etwas anzusehen, die verschiedenen Aufgabenbereiche kennenzulernen.” Und lernen will Nathalie Meyer noch eine Menge.
“Ich weiß, dass man nach dem Studium noch viel praktisch lernen muss”, sagt sie. Sie weiß auch, dass ihr Studium keine vertane Zeit war, sondern eine gute Erfahrung. “Ich habe selber viel ausprobiert, war nicht nur unzufrieden damit, sondern habe viel daraus mitgenommen.” Schließlich hat sie neben dem Studium in Leipzig bereits als Straßenbahnfahrerin gearbeitet und musste dafür nicht nur so manchen Morgen um 3 Uhr 19 den Nachtbus nehmen, um pünktlich ihren Dienst anzutreten. Sie musste für Theorie- und Praxiskurs auch ihre Semesterferien opfern. Durchbeißen ist ihr nicht fremd und Hinschmeißen nicht ihre Art.
Aber dass sie lange nicht weiß, wohin beruflich die Reise gehen soll, sieht sie selbstkritisch. “Das war mein Problem bei der Berufsfindung, dass ich nicht sagen konnte, wofür ich brenne, was mich interessiert.” Doch damit steht sie nicht ganz allein, das weiß sie.
“Ich fände Beratung wirklich gut, weil man so viele Möglichkeiten hat, von denen man gar nichts weiß; Berufe, die man gar nicht kennt, die einen aber interessieren würden. Man weiß ja gar nicht, wonach man suchen muss.”
Im Augenblick nimmt sie alle Herausforderungen an, die sich ihr bei Scholz & Friends bieten. Zu sagen ob und in welchem Bereich sie später als Beraterin arbeiten wird, dafür ist es noch zu früh: Ob Eventabteilung, Produktion von Werbemitteln oder Entwicklung von Kampagnen im Bereich Public Affairs, das ist momentan nicht die entscheidende Frage.
Aber eines weiß Nathalie Meyer inzwischen genau:
“Die jetzige Ausbildung ist deutlich branchenunabhängiger. Jede Firma, viele Verbände haben eine Marketingabteilung, in der man unterkommen und eine interessante Aufgabe finden könnte.”
Fotos: Anna Weise
Text: Ina Krauß
Dieser Erfahrungsbericht ist im Rahmen des Projekts „Queraufstieg Berlin“ entstanden. Das Projekt wurde von 2016 bis 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als „Leuchtturmprojekte Studienabbruch“ im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Initiative „Bildungsketten“ gefördert.