In den Glückstopf gefallen

„Ich habe mich nur noch gequält“, sagt Philip Erben sachlich. Der 26-Jährige hatte an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg bereits sechs Semester Maschinenbau und weitere sechs Semester Wirtschafts-Ingenieurwesen studiert, ehe er die Universität verlässt. Ohne Abschluss. „Für mich stand fest: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagt Philip Erben, der erneut an einer wichtigen Prüfung scheitert
– eine von drei.
In diesem Studiengang ist für ihn Endstation.

Einen nochmaligen Studienwechsel in ein anderes Fach schließt Philip Erben für sich aus. „Es ging einfach nicht mehr.“ Zwischen Vorlesungen, Seminaren, Laborarbeit und studentischen Jobs für den Lebensunterhalt fühlt er sich aufgerieben. „Nach zwölf Semestern war ich auch nicht mehr der Jüngste. Und ich wusste, dass Prüfungsphasen bei mir nicht so gut laufen.“ Er sehnt ich außerdem nach einem geregelten Tagesrhythmus.

Den hat er als Auszubildender bei ABB. Gegen fünf Uhr klingelt jeden Morgen der Wecker. Pünktlich 6:30 Uhr steht er in seiner Arbeitskleidung im ABB Ausbildungszentrum in Berlin-Pankow. Hier absolviert Erben seit 2015 eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik. „Eigentlich war ich auf der Suche nach einer Mechatroniker-Ausbildung. Mit Mechanik kannte ich mich Dank des Studiums aus.“ Erst als er sich an verschiedenen Stellen um eine Ausbildung bewirbt, ist ihm bewusst, wie viele berufliche Möglichkeiten es gibt, die mit einer Ausbildung erreichbar sind. „Ich hatte mich nie damit auseinandergesetzt.“ Dass es dann die Elektronikerausbildung wurde, ergibt sich beim Bewerbungstest. Philip Erben ist motiviert.

„Und die Fachrichtung stimmt“.

Weshalb er sein Studium abgebrochen hat, ist ihm inzwischen auch klarer. „Ich hatte keine Idee davon, was ich später als Wirtschaftsingenieur machen würde. Ich wusste von allem ein bisschen, aber nichts richtig“, resümiert er. Was er jetzt lernt, ist anwendungsorientiert. Die Ausbildungsmodule sind sehr konkret, fordern seine Vorstellungskraft und sind auf den zukünftigen Arbeitsplatz bzw. Einsatzmöglichkeiten zugeschnitten. Er schwärmt davon, was er als Elektroniker für Automatisierungstechnik alles erreichen könnte.

„Je länger ich hier bin, umso genauer erkenne und kenne ich die Zusammenhänge. Wenn ich mich anstrenge, kann ich später europaweit oder sogar global unterwegs sein, auf Baustellen meines Arbeitgebers riesige Anlagen konfigurieren und programmieren.“ Auch Einsatzmöglichkeiten als Wartungstechniker kann er sich vorstellen oder als Service-Techniker Fehler beheben. „Es ist so viel konkreter als im Studium und ich fühle, dass ich imstande bin, solche Aufgaben zu tun“, sagt er selbstbewusst. Noch ist das Zukunftsmusik, aber ein durchaus erreichbares Ziel.

Er akzeptiert auch die Strenge der Ausbildung, die dafür nötig ist. Gegen Ende seiner Ausbildungszeit darf Philip Erben zwar Wünsche äußern, aber auch sein Arbeitgeber hat Interesse, ihn nach den Erfordernissen des Unternehmens einzusetzen.

„Wir werden ja ausgebildet, weil wir vom Unternehmen auch wirklich gebraucht werden“.

Er ist auf dem richtigen Weg – in die Industrie- und Arbeitsgesellschaft 4.0 – und das gibt ihm ein gutes Gefühl. Auch, dass er in der Ausbildung vielfältige Möglichkeiten hat, zum Beispiel an Azubi-Austausch-Reisen nach Wales oder La Reunion und den dazugehörigen Praktika teilzunehmen. Dafür setzt er sich „auf den Hosenboden“, um die Sprach-Grundkenntnisse aufzufrischen oder erst zu lernen.

Der Studienabbruch ist schon fast vergessen. „Am Ende der Ausbildung ist man Fachkraft und kann etwas“, sagt er stolz. „Ich bin in einen Glückstopf gefallen.“

 

Fotos: Anna Weise
Text: Ina Krauß

Dieser Erfahrungsbericht ist im Rahmen des Projekts „Queraufstieg Berlin“ entstanden. Das Projekt wurde von 2016 bis 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als „Leuchtturmprojekte Studienabbruch“ im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Initiative „Bildungsketten“ gefördert.