„Studienmotivation in Zeiten der Corona-Pandemie. Ein qualitativer Einblick in das Erleben & die Entwicklung der Abbruchneigung von Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen“

Masterarbeit von Stefanie Neumann, Technische Universität Braunschweig

Ziel der Forschungsarbeit war es, den Einfluss der Pandemie auf die Einstellung zum Studium von Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen zu untersuchen. Dazu wurden acht leitfadengestützte Interviews mit Fragen zum persönlichen Hintergrund und der Studienvorphase, dem individuellen Studienprozess, persönlichen Herausforderungen und zur Einschätzung des gesamten Studiums durchgeführt. Die Resultate der Forschungsarbeit von Stefanie Neumann zeigen auf, dass der Studienalltag und die Situation während der Pandemie als belastend und herausfordernd wahrgenommen werden. Fast alle Interviewten leiden unter Motivationsproblemen, die durch die pandemiebedingten Gegebenheiten zugenommen haben. Ein nachlassendes Fachinteresse ist eher weniger der Grund für einen Studienabbruch, sondern vielmehr ist es die fehlende Motivation, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen oder bestimmte Prüfungsleistungen zu erbringen.

Bei den befragten Abbrecher*innen zeigt sich ein stärkeres Gefühl der Orientierungslosigkeit, welches insbesondere die fehlende berufliche Perspektive aber auch organisatorische Schwierigkeiten im Studium, wie beispielsweise Informationen zu den Studienanforderungen, betrifft. All diese Faktoren wirken sich hemmend auf die Studienmotivation aus und können die Abbruchneigung begünstigen.

Bei vier Abbrecher*innen wird deutlich, dass Studienabbruchabsichten als eine Handlungskrise betrachtet werden können, bei der die Verfolgung des Ziels infrage gestellt wird, wobei insbesondere die mangelnde berufliche Perspektive ein ausschlaggebender Faktor hierfür zu sein scheint. In einer solchen Krise sind Personen hin- und hergerissen, ob sie sich von ihrem Ziel lösen oder daran festhalten sollen, was einen intrapsychischen Konflikt (Motivationskonflikt) zwischen Erwartungen, Erreichungswert und der Kosten-Nutzen-Abwägung hervorruft.

Aufgrund der Online-Lehre fehlt der Austausch mit Kommiliton*innen und Lehrenden. Zudem kommt es zu einer Entgrenzung von Studium, Arbeit und Freizeit. Dies sowie die Schließung von Bibliotheken, anderen universitären Räumlichkeiten und Unterstützungsangeboten wirkt sich hinderlich auf das Studienverhalten aus und erschwert die Studienorganisation. Dies hat bei einigen Befragten zu einer Zuspitzung der Handlungskrise geführt. Durch diese pandemiebedingten Zuspitzungen haben die Gedanken, das Studium abzubrechen, zugenommen, daher wird die Pandemie als Beschleuniger für die Abbruchintention gesehen, jedoch nicht als Auslöser. Der ausschlaggebende Punkt für den Entschluss, das Studium abzubrechen, kann nicht eindeutig benannt werden, sondern kann auf verschiedene sich summierende Faktoren zurückgeführt werden.

Ebenfalls zeigt sich, dass die Interviewten mit Abbruchintention weiter studiert haben, obwohl ihnen bewusst war, dass eine Distanzierung vom Ziel erstrebenswerter wäre. Als Gründe hierfür betonen die Befragten zum einen das soziale Umfeld, weswegen weiterstudiert wird und zum anderen die Pandemie, welche eine (berufliche) Umorientierung erschwert hat. Hinzu kommt die Sorge, die Eltern zu enttäuschen sowie Scham und Angst vor dem Stigma des Scheiterns. Demnach überwiegen als Abbruchmotive persönliche sowie institutionelle Motive, zu denen bei einigen akademische und wirtschaftliche hinzukommen. Die Motive können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, da sich diese wechselseitig beeinflussen.

Es zeigt sich, dass trotz eigenverantwortlichem Studieren mehr Hilfe seitens der Hochschulen gewünscht wird. Denn: Ein positives Element am Studium insgesamt, in dem auch gleichzeitig der größte Nachteil gesehen wird, ist die Freiheit, das Studium zum großen Teil selbst gestalten zu können. Um die Zugänglichkeit für Unterstützungsangebote zu erhöhen, schlagen die Interviewteilnehmer*innen vor, sichtbarere Werbung für Angebote zu machen, regelmäßige Verweise per E-Mail zu versenden oder anmeldungsfreie Veranstaltungen anzubieten. Denn gerade für Nichtakademiker*innen und im Sinne einer offenen Hochschule könnten solche (Präventions-)Maßnahmen Studienabbrüche verhindern und die Motivation erhöhen.

Um die Studienmotivation zu erhöhen und die Abbruchneigung zu senken, könnte der Fokus der Hochschulen außerdem auf einer stärkeren Verzahnung von Studium und Praxis liegen.